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Pastor's Heart von Kai S. Scheunemann

Pastors Heart

Wozu predigen? Ein Blick in unsere Predigtwerkstatt

"Ich breite meine Hände aus zu dir, meine Seele dürstet nach dir wie ein dürres Land." (Psalm 143,6)

Liebe Freunde,
es gibt Sonntage da muss man sich als Prediger warm anziehen, um mit den Reaktionen der Gemeinde auf die Predigt zurecht zu kommen. Am Sonntag hat Karsten eine solche Predigt zu Origenes und seiner Tendenz zur „Allversöhnung“ gehalten. Wie gut, dass wir gleich Gestern Abend unser „Message-Team“-Treffen hatten. So konnten wir direkt über alle Eure Reaktionen sprechen – und es waren viele! (Das Message-Team ist verantwortlich für die geistlichen Inhalte – „spirituelle Menu“ – unserer Gottesdienste und besteht aus Karsten, Fabian, Ina, Jay, Roselind, Conny, und wird von Johannes Neufeld und mir geleitet.)
Grundsätzlich freuen wir uns riesig, wenn unsere Predigten etwas anstoßen und unsere Gottesdienstbesucher danach engagiert diskutieren. Wir sind mit Paulus einig, der als Ziel seines Dienstes schreibt „... damit jeder einzelne zu einem reifen mündigen Christen wird“ (Kol 1,28). Auch freuen wir uns SEHR über jede Rückmeldung – positive wie kritische (!) – besonders, wenn der/die Schreiber dabei nicht vergisst, dass auch wir Prediger Gefühle haben, und nicht über jeden Schmerz erhaben sind. Noch mal: was kann man sich als Prediger mehr wünschen, als dass die Predigt etwas anstößt. Und dazu darf sie auch anstößig sein.

Als wir vor 9 Jahren das Message-Team gegründet haben, haben wir uns folgende Aufgabe gestellt. Ich drucke es hier einfach mal ab, weil ich hoffe, dass Ihr so besser nachvollziehen könnt, warum wir in der Andreasgemeinde predigen, wie wir predigen.

Unser Traum:

Stell Dir vor es ist Gottesdienst – und alle wollen hin!

Unser Auftrag:

Predigtserien und Predigten entwickeln, die den Verstand erleuchten, die Seele berühren und den Willen herausfordern Jesus kennen zu lernen und nachzufolgen – und die Gemeinde baut.

Unser Leitfaden, nach dem mir unsere Predigten beurteilen:

  1. Leuchtet der biblische Text durch die Predigt in unsere Gegenwart?
  2. Führt die Predigt in die Mündigkeit?
  3. Führt die Predigt zur Lebensveränderung?
  4. Führt die Predigt dazu, den Glauben im Alltag zu leben?
  5. Spiegelt die Predigt unsere Trinitarische Theologie wieder? (Liberale sollen von Evangelikalen und Charismatikern lernen – und umgekehrt. Hierzu ist es wichtig, Theorien als Theorien in den Predigten zu kennzeichnen und nicht als Wahrheit.)

Wo stehen wir heute? (Diskussionsthesen, mit denen wir uns gerade beschäftigen)

  • Durch unsere „Sucher-Orientierung“ und dem Versuch, weltlicher Unterhaltungskonkurrenz Paroli zu bieten sind wir in der Schleife des „immer mehr, bunter, überraschender, unterhaltender…“ gefangen. Wollen wir das?
  • Durch unsere starke Betonung der Predigt und gute Prediger haben wir uns ein verwöhntes Publikum geschaffen mit der Haltung: „Füttere mich!“. Kaum einer „bereitet sich geistlich auf den Gottesdienst vor“. Uns ist es nicht gut gelungen Menschen zu geistlichen Selbstversorgern und Selbst-Bibellesern weiter zu entwickeln.
  • Oscar Muriu: „Nach 7 Jahren habt Ihr alles gehört, was ihr als Christ wissen müsst. Jetzt geht, und leitet andere an, das auch zu lernen. Nur so werdet ihr geistlich wachsen. Ihr habt im Westen kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Stimmt diese These?
  • Durch unsere Orientierung an den Kirchendistanzierten fehlt denen, die lange schon bei uns sind der „neue, inspirierender und herausfordernder“ Gedanke. Was können wir tun?
  • Zielgruppe unserer Predigten: Unsere Primärzielgruppe bleiben die Kirchendistanzierten und Suchenden. Ihnen ist Verständlichkeit, Alltagsnähe und Authentizität wichtig. Sie müssen die Predigt/den Gottesdienst verstehen und nachvollziehen können. Zusätzlich wollen wir in jeder Predigt mindestens einen Gedanken „für Tiefenbohrer“ erarbeiten, den wir auch als solches kenntlich machen und wo wir auf vertiefende Literatur/Bibelstellen/Fragen hinweisen. Wie konkret?
  • 2019 müssen wir grundsätzlich an unseren Gottesdiensten arbeiten.

Soweit ein „Blick in unsere Predigtwerkstatt“, in der Hoffnung, dass Ihr ein wenig nachvollziehen könnt, was uns bei den Predigten antreibt. Dass wir nicht mit jeder Predigt allen Kriterien gerecht werden können, liegt auf der Hand. Dass wir trotzdem alles tun, um möglichst viel davon umzusetzen, könnt Ihr uns glauben. Auch wir bereiten Woche für Woche unsere leeren „Hände aus zu Gott, weil auch unsere Seele nach Gott dürstet wie ein dürres Land“.

Vielleicht fasst folgende Mail eines Predigtlesers aus Wien das zusammen, wozu es uns bei unseren Predigten im Generellen und worum es Karsten am Sonntag im speziellen geht:
„Sehr schöne Predigt, Karsten. Mit einer Anmerkung: Ob es Allversöhnung gibt oder nicht ist aus meiner Sicht eigentlich recht egal. Weil die alleinige Entscheidung darüber trifft eh nur ER. Und alle unsere Versuche in diesem Bereich Maßstäbe zu definieren, werden dem Prinzip GOTT nicht gerecht. Also dem Schöpfer, der letzten Instanz, dem Unendlichen… Umso mehr sollten wir uns – wie von Dir beschrieben – an Jesu Menschenliebe orientieren und die frohe Botschaft weitersagen, die wir erleben. Und auch so leben, dass wir so aussehen und es die anderen uns abspüren, als wären wir erlöst“

Gott befohlen!
Euer Kai

PS. Und wie ist unsere hitzig-fröhliche Diskussion zu den Themen oben ausgegangen? Mit der Frage an Gott: „Gott, was sollen wir machen?“. Seine Antwort war recht deutlich: „Lachen!“ Ehrlich! Wir haben uns noch mal zurückgelehnt und darüber gefreut, wie bunt, engagiert und gut unsere Gottesdienste (und vor allem unsere engagierten Mitarbeiter) sind. Und haben uns gesagt, dass bei aller Ernsthaftigkeit der Fragen oben, wir in unseren Gottesdiensten wieder mehr Leichtigkeit, Humor, Fröhlichkeit und, ja, Lachen brauchen.