Diese Worte von Harald Martenstein im Zeit-Magazin haben mich echt getroffen. Ich merke, wie Politiker und Medien sich in diese Richtung bewegen und höre, wie selbst in meinem Freundeskreis alte Freundschaften unter dem Druck der teilweise existenzbedrohenden Beschränkungen, konträr interpretierten Daten und leidenschaftlichen Emotionen ächzen (ja, sie schaffen Leiden). Und suche nicht auch ich nach jemanden, der „an der ganzen Scheiße“ schuld ist. Bieten sich die Ungeimpften da nicht als „einfachste Zielscheibe“ an. Oder – von der Seite der Ungeimpften mal geschaut – sind nicht die die Bill Gates, Machtpolitiker, systemtreuen dummen Schafe und am Ende dann doch wieder die Juden… an allem schuld?
In archaischen Gesellschaften spielte die Figur des Sündenbocks eine große Rolle. So wurde in Israel am Großen Versöhnungstag (Jom Kippur) ein Bock symbolisch mit den Sünden des Volkes Israels beladen und in die Wüste geschickt, um die jährliche Versöhnung zwischen Mensch und Gott rituell zu begehen. (Leviticus 16,8-21). In der Soziologie kennt man die soziale Rolle des Sündenbocks. Sind Menschen frustriert oder unglücklich, richten sie ihre Aggression oft auf Personen oder Gruppen, die unbeliebt, leicht identifizierbar und machtlos sind. Aus dem Sündenbock wird dann schnell ein ideologisches Feindbild, das für eine Gruppe eine identitätsstiftende Funktion bekommt.
Wie anders ist da Jesus. Er sagt „Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!“. Vor 4 Jahren – also weit vor der Pandemie – wurde dieser Vers zur Jahreslosung 2021 gezogen. Wie passend! Lasst uns in den nächsten Wochen barmherzig miteinander und mit allen sein, die eine andere Meinung als wir vertreten.
Blessings für eine barmherzige Adventszeit!
Euer Kai
