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Pastor's Heart von Dr. Waltraud Kraft

Pastors HeartErstellt von Dr. Waltraud Kraft

Am Sonntag vor zwei Wochen wurde der Morgengottesdienst von den Teilnehmern des Seniorenclubs gestaltet. Es war ein sehr schöner und berührender Gottesdienst. Auf dem Nachhauseweg bewegten mich einige Gedanken, die ich gerne mit Euch teilen möchte.

Am Sonntag vor zwei Wochen wurde der Morgengottesdienst von den Teilnehmern des Seniorenclubs gestaltet. Es war ein sehr schöner und berührender Gottesdienst. Vielen Dank an alle, die sich mit Gebet, Gesang, Fürbitten und Predigt eingebracht haben. Dem Gottesdienst vorausgegangen ist ein längerer Entscheidungsprozess. Es ist den Senioren nicht leicht gefallen, sich auf das „Experiment“ Gottesdienstgestaltung einzulassen. Mein Dank gilt deshalb auch Katharina Seidel, die nicht müde wurde zu motivieren, zu begeistern und zu unterstützen.

Auf dem Nachhauseweg bewegten mich einige Gedanken, die ich gerne mit Euch teilen möchte. Zuerst einmal stellte ich mir die Frage, warum es den Älteren so schwer fällt, Präsenz in der Gemeinde zu zeigen. Damit meine ich nicht die Inanspruchnahme der Angebote unserer Seniorenarbeit, auch nicht das vielfältige ehrenamtliche Engagement, das ältere Menschen ausüben, sondern warum sie sich häufig scheuen, eine exponierte Rolle im Gemeindeleben einzunehmen: in den Gottesdiensten, in Leitungsfunktionen, in Arbeitsgruppen, im Kirchenvorstand. Meines Erachtens gibt es dafür sowohl persönliche Gründe als auch gesellschaftliche Erklärungen. Zu der ersten Kategorie gehört die Bescheidenheit, die viele ältere Menschen auszeichnet. Sie drängen sich nicht gerne in den Vordergrund. Sie lassen lieber die anderen machen. Möglicherweise liegt es aber auch daran, nach langer familiärer und beruflicher Verpflichtung nicht auch noch in der Kirchengemeinde Verantwortung übernehmen zu wollen. Eine weitere Ursache für die Zurückhaltung kann aber auch in der Resignation liegen, in dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, den Anforderungen der Moderne nicht (mehr) zu genügen. Dies wird nicht selten durch die Erfahrung bedingt, dass das Alter in einer alternden Gesellschaft mit einem Rollenverlust verbunden scheint. Waren die Alten in früheren Zeiten die Ratgeber, Wissensvermittler und Bewahrer der Tradition, so übernimmt heute die moderne Technologie die Weitergabe von Wissen und Informationen.

Das führte zum nächsten Gedanken: Brauchen wir sie noch, die Alten? Diese Frage konnte ich mit einem uneingeschränkten JA beantworten. Wir brauchen sie mehr denn je in einer schnelllebigen Gesellschaft, in Zeiten des politischen und sozialen Unfriedens. Wir brauchen sie als Zeitzeugen gegen den aufkommenden Nationalismus und Egoismus. Wir benötigen ihren gelassenen Blick auf die Zukunft als Resultat der Erfahrung, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Wir brauchen sie für eine ausgewogene Balance zwischen den Generationen.

Was ich mir wünsche ist einen Bewusstseinswandel, der in zwei Richtungen geht. Auf der einen Seite ermutige ich älter werdende Menschen, mit mehr Selbstbewusstsein und Selbstverständnis ihren Platz in der Andreasgemeinde, der Kirche und in der Gesellschaft einzunehmen. Dazu ein Appell an die Älteren von Ursula Lehr, der Ikone der Alterspsychologie: „Fangt nie an aufzuhören und hört nie auf anzufangen!“ Auf der anderen Seite hoffe ich, dass Kirche und Gesellschaft zukünftig noch stärker das enorme Potential älterer Menschen in den Blick nehmen. Was bedeutet das für unsere Gemeinde? Ein Aufbrechen des „Nischendaseins“ wäre ein Weg in die richtige Richtung. Viele Altersgruppen, eine Gemeinde, ein Ziel – Gott zu dienen. Für die Umsetzung der Vision 2030 brauchen wir das Zusammenspiel aller Generationen. Der Jahresschwerpunkt 2019, die Nachwuchsförderung, bietet die Gelegenheit, sich über alle Altersgrenzen hinweg durch aktive Mitarbeit und/oder finanzielle Förderung zu investieren.

Eure/Ihre Waltraud Kraft